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Grundversorger im Anpassungsstress

Im letzten Jahr drastisch gestiegene Strom- und Gaspreise belasten Verbraucher, bringen aber auch Versorger und Energiepolitik in Zugzwang.

Das EMB-Energiehaus in Michendorf

Versprochen war günstige „Energie ohne Schnörkel“ – am Ende blieb Schönwalde-Glien auf einer Strom-Ersatzversorgung zu weit höheren Preisen sitzen. „Wir hatten uns nach einer Ausschreibung für einen Stromliefervertrag mit der OTIMA Energie AG aus Neuenhagen entschieden“, berichtet Bodo Oehme, Bürgermeister der Gemeinde im Havelland.

„Nach der Pleite des Energielieferanten im Oktober letzten Jahres fanden wir uns dann plötzlich in der dreimal so teuren Ersatzversorgung wieder“, so Oehme weiter. Das OTIMA-Angebot für einen Dreijahresvertrag sei gut gewesen – doch schon nach zehn Monaten kam das Aus. Der Versorger hatte sich beim Energieeinkauf verkalkuliert und ging in Konkurs.

Ein schwerer Schlag für die 10.000-Einwohner-Gemeinde Schönwalde-Glien, die für Straßenbeleuchtung, Rathaus, Schulen, Kitas und Sporthallen mehr als eine Million Kilowattstunden Strom pro Jahr verbraucht – bei steigender Tendenz. Die Lieferantenpleite riss ein tiefes Loch in die Gemeindekasse.

Doch damit nicht genug. Der Aufwand für die Abrechnung des geplatzten Vertrages, der Ersatz- und Grundversorgung durch E.ON sowie die neue Ausschreibung belasten die Gemeindeverwaltung enorm. „Wir hatten die dreifache Arbeit und kommen gegenwärtig nicht mehr hinterher“, so Oehme.

Bürgermeister fordert strengere Kontrolle von Lieferanten

Für den Bürgermeister ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. Er fordert „strengere gesetzliche Regelungen und eine stärkere Kontrolle“, um wenig verlässliche Energieanbieter auszusortieren.

Schönwalde-Glien ist kein Einzelfall. Zehntausende Verbraucher landeten Ende letzten Jahres in der Grund- oder Ersatzversorgung, weil Energielieferanten Pleite gingen oder sogar in mehreren Fällen wegen stark gestiegener Beschaffungskosten von einem Tag auf den anderen aus der Versorgung ausstiegen. Nach Angaben der Bundesnetzagentur stellten 2021 an die 40 Energieanbieter ihre Lieferungen ein.

Durch derlei unseriöses Geschäftsgebaren wälzten die Lieferanten unternehmerische Risiken auf die Grundversorgung ab, bemängelt der BDEW. Der Energieverband fordert deshalb eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes, um zu verhindern oder wenigstens zu erschweren, dass unseriöse Discounter einfach ihre Geschäftstätigkeit aufgeben, ohne vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen.

Aber auch Grundversorger, die dadurch von heute auf morgen in erheblicher Zahl Neukunden versorgen mussten, mit denen sie nicht gerechnet hatten, gerieten wegen ihrer Preisgestaltung in die Kritik. Viele, so auch Unternehmen der GASAG-Gruppe, zu der die EMB gehört, hatten separate Grundversorgungstarife für Neukunden eingeführt, weil sie für diese ad hoc zu Höchstpreisen Energie nachkaufen mussten. Hatten sich doch die Großhandelspreise für Strom im Lauf des letzten Jahres verdreifacht, die für Gas sogar verfünffacht.

Erstes OLG-Urteil pro Tarifsplitting in der Grundversorgung

Das sogenannte Tarifsplitting ist nicht unumstritten. Aber erste Urteile, zum Beispiel durch das OLG Köln, zeigen, dass die Versorger sie einführen durften, um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. In einem von der Bundesregierung für die nächsten Wochen angekündigten Gesetzgebungspaket wird unter anderem eine Regelung erwartet, die dieses Vorgehen auf eine eindeutige rechtliche Basis stellen wird.

Zur Disposition steht angesichts weiter sehr hoher Verbraucherpreise für Energie aber auch der Anteil staatlich verursachter Steuern, Abgaben und Umlagen am Strompreis von über 40 Prozent. Dieser Staatsanteil sollte reduziert werden, wird vielfach gefordert.

Die Bundesregierung hat das Problem auf dem Schirm. Ende Februar verabschiedete das Kabinett ein Entlastungspaket, das unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli vorsieht. Das Wirtschaftsministerium will ferner Grund- und Ersatzversorgung neu regeln. Vorgesehen sind eine längere Frist zur Anzeige der Geschäftsaufgabe, eine Neuordnung der Tarife sowie mehr Handlungsspielraum für die Aufsicht durch die Bundesnetzagentur.

Doch kaum ist ein wenig Entspannung erkennbar, tut sich schon neues Unheil auf: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine dürfte die Energiepreise in Deutschland erneut in die Höhe treiben.