Transportwege für Wasserstoff
Der Aufbau eines Transportnetzes für Wasserstoff in Deutschland, ein Großprojekt auf dem Weg zur Klimaneutralität, steht noch ganz am Anfang. Die Bundesregierung schraubt am Regulierungsrahmen, Fernleitungsnetzbetreiber haben mit ersten Netzmodellierungen begonnen.
Deutschland setzt auf Wasserstoff (H2), um klimaneutral zu werden. „Für die bis 2030 anstehenden Transformationen in der Energiewirtschaft, im Verkehrssektor und in der Industrie wird die Nutzung von Wasserstoff und seiner Derivate eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung einnehmen“, heißt es in der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung. Die Ende Juli verabschiedete Fortschreibung der Strategie aus dem Jahr 2020 setzt ambitionierte Ziele.
So sollen bis 2030 mindestens 10.000 MW Elektrolysekapazität für die Produktion grünen Wasserstoffs aus Ökostrom aufgebaut werden; bisher waren 5.000 MW geplant. Zudem sollen erhebliche Mengen des Energieträgers importiert werden – und zwar nicht nur grüner, sondern auch aus Erdgas produzierter blauer Wasserstoff, beispielsweise aus Norwegen. Blauer Wasserstoff soll klimaneutral werden, indem man bei der Produktion anfallendes CO2 unterirdisch deponiert.
„Wir fördern grün – und nehmen alles“, kommentierte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck die pragmatische Entscheidung, auch blauen Wasserstoff zu nutzen, bis genügend grüner zur Verfügung steht. Die Bundesregierung erwartet bis 2030 einen H2-Bedarf von 95 bis 130 Milliarden Kilowattstunden, der sich bis 2045 auf 500 bis 600 Milliarden kWh erhöhen soll.
Wasserstoffwirtschaft braucht leistungsfähiges Transportnetz
Um H2 zum Einsatz zu bringen, wird ein leistungsfähiges Transportnetz gebraucht, das Produktionsstätten, Importpunkte und Speicher mit Nutzern in ganz Deutschland verbindet. „Von besonderer Bedeutung ist die Schaffung der notwendigen Wasserstoffinfrastruktur“, heißt es in der Wasserstoffstrategie.
Die Strategie sieht bis 2027/2028 ein Startnetz mit rund 1.800 Kilometern umgestellten Erdgas- und neu verlegten Wasserstoffpipelines vor. Schon 2032 soll ein Kernnetz zur Verfügung stehen. Es soll eng in die europäische Wasserstoffinfrastruktur eingebunden werden und bildet die Basis für ein sich entwickelndes flächendeckendes Transportnetz.
Für den künftigen Ausbau des Wasserstoffnetzes will die Bundesregierung bis Ende des Jahres eine reguläre Netzentwicklungsplanung einführen, wie man sie aus der Strom- und Erdgasversorgung kennt.
Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) für den Gastransport arbeiten bereits an Modellierungen des Kernnetzes und legten im Juli erste Berechnungen vor. Demnach könnte ein Kernnetz bis zu 11.200 Kilometer Wasserstoffpipelines mit mehreren West-Ost- und Nord-Süd-Korridoren umfassen.
Auch in den ostdeutschen Bundesländern sind Fernleitungsnetzbetreiber mit Vorbereitungen für ein Wasserstofftransportnetz beschäftigt. Planungen der Leipziger Gastransportgesellschaft ONTRAS sehen vor, 544 Kilometer ihrer Erdgaspipelines in Ostdeutschland auf Wasserstofftransport umzustellen, 377 Kilometer H2-Pipelines neu zu bauen und daraus ein Startnetz mit gut 900 Kilometern Leitungen zu schaffen. Außerdem sollen Pipelines des Fernleitungsnetzbetreibers GASCADE, die für den Import russischen Gases gebaut worden waren, künftig für Wasserstoff genutzt werden.
Das vorgesehene H2-Kernnetz in Ostdeutschland soll auch Brandenburg mit Wasserstoff versorgen. Wirtschaftsminister Prof. Jörg Steinbach (SPD) erwartet für das Bundesland einen erheblichen Bedarf an Wasserstoff, vor allem in der Industrie. „Eine leistungsfähige Wasserstofftransportinfrastruktur ist das Rückgrat der zukünftigen Wasserstoffwirtschaft“, sagte Steinbach anlässlich der Vorstellung einer Studie zum Auf- und Ausbau eines H2-Transportnetzes in Brandenburg im Februar.
Brandenburg mit Potenzial für Produktion und Verwendung
Die an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftler und Experten kommen zu dem Schluss, dass sich Brandenburg nicht nur zum Transitland entwickeln werde, das die nördlichen Wasserstoffimport- und -erzeugungsstandorte mit den südlichen Bundesländern verbindet, sondern auch „erhebliches Potenzial für die Erzeugung von grünem Strom und Wasserstoff sowie dessen Verwertung“ habe. Laut Studie könnten in Brandenburg langfristig pro Jahr bis zu 20 Milliarden kWh grünen Wasserstoffs regional erzeugt werden. Der regionale H2-Bedarf wird auf bis zu 40 Milliarden kWh geschätzt.
Steinbach plädiert auch dafür, Gaspipelines für den Aufbau eines Wasserstoff-Transportnetzes zu nutzen. Auf die bestehende Erdgasinfrastruktur zurückzugreifen und Trassen zu bündeln, sei erheblich kostengünstiger als ein reiner Neubau.